Da mein Mitbewohner zwar viel von Vendetta, jedoch nichts
von der deutschen Sprache versteht, da er ein taubstummer Lappländer ist –
„Lappe“ mögen die Lappen nicht -, gestaltet sich unsere Kommunikation gelinde
gesagt: schwer! Meist schreiben wir uns über den Computer Nachrichten, die wir,
bevor wir sie abschicken, von irgendeiner Übersetzungsmaschine verunstalten und
unkenntlich machen lassen, um uns auch auf alle Fälle falsch zu verstehen.
Einmal hab ich ihm einen Witz über Lappländer geschickt. Daraufhin hat er alle
mein VHS mit Schwulenpornos überspielt. Es ist peinlich, wenn man mit der acht
jährigen Cousine Asterix als Gladiator sehen will und stattdessen sieht man
zwei Männer, die sich gegenseitig die Eier schaukeln. Ich hab überlegt, wie ich
das auf der nächsten Familienfeier erklären könnte. Erstaunlicher Weiße hab ich
die perfekte Lösung gefunden: ich geh nicht mehr zu solch biederen
Veranstaltungen.
Seit dem führen wir unseren liebevoll geführten Kleinkrieg.
Ich werfe eine Hand voll Kakerlaken in
sein Müsli, in dem Wissen, dass seine Auffassungsgabe am Morgen noch
eingeschränkt ist. Er pupst mir aufs Kopfkissen und ich…. nun ja wo gehobelt
wird, da fallen Späne! Auf jeden Fall ist Ikea, wie ich ihn nenne, weil es ihn
ärgert, zwar unterhaltsam aber unheimlich langweilig. So gehört es sich
schließlich auch für einen 65 jährigen. So kommt es, dass ich, der Psychologie
Student, genötigt bin vor die Tür zu gehen und Kontakte zu andern Menschen auf
zu nehmen. Groucho Marx hat mal gesagt: „Ich würde keinem Club angehören
wollen, der mich als Mitglied aufnimmt.“
Dem schließ ich mich an und deshalb hab ich auch nichts mit Kommilitonen
am Hut. Ich geh da sogar noch einen Schritt weiter: Ich will gar keinen Club
angehören.
Ich hab da ein entscheidendes Problem: Ich mag fast jeden. Manch einer würde
meinen, dass sei kein Problem aber mein Vater sieht das anders - also mein
Quasi- Vater. Ich gehöre einer Generation an, die zu 50% vom Fernseher
großgezogen wurde und da meine Mutter alleinerziehend war musste eine
Vaterfigur her. Die Auswahl war riesig und das Casting lief wann immer ich
wollte. Bruce Wayne, Homer Simpson, Bill Cospy und Hercules, sie alle buhlten
um meine Zuneigung. Den Zuspruch bekam dann ein sympathischer Durchschnittstyp:
Dr. Gregory House. Dieser meinte eines Tages zu mir: „Wenn dich niemand hasst,
machst du was falsch!“
Es gibt 3 Wege um den Hass der Menschen auf sich zu ziehen: 1. man beleidigt
ihre Gottheiten, was mir als zu radikal erscheint, 3. Man verarscht sie und
darauf verstehe ich mich! Jetzt muss ich nur noch wissen, welche Menschen, das
Privileg genießen dürfen mich zu hassen. Auch da hilft mir das Fernsehen
weiter. Am besten verstehe ich mich mit Menschen, welche die gleichen Serien
mögen wie ich. Im Umkehrschluss bedeutet das: alle die was anderes sehen sind
Auserwählte. Klingt ein wenig faschistisch sollte aber klappen. Da Menschen auf
einen sowieso nur reagieren, wenn sie sich in der eigenen Meinung gestört
fühlen bastelte ich mir ein Plakat mit der
großen Aufschrift:
„I hate how i met your mother shameless Mistresses!“
Erst im Nachhinein viel mir auf, dass ich die Kommas
zwischen den Titeln vergessen hatte. Jetzt habe ich noch eine halbe Stunde
meinen bösen Gesichtsausdruck geübt und bin startbereit mein mannshohes Schild
hab ich einmal auf vorder und der hinter Seite. Davon abgesehen trage ich nur
eine Unterhose um die Provokation auf ein neues Level zu bringen.
In der Stadt angekommen renne ich mit wütendem Blick, auf mein Schild zeigend
auf fremde Menschen zu, in der Hoffnung mich dann verbal mit ihnen auseinander
setzen zu können. Allerdings verwirrt mich ihre Reaktion: sie rennen weg – bin ich so hassenswert? Ich werde kurz
traurig bis mir wieder einfällt, dass das ja mein Ziel war. Beflügelt vom Hass
der Anderen renne ich nun noch schneller und ehe ich es mir versehen kann muss
ich noch schneller Rennen, weil wohl zwei Ehemänner große „shameless“ Fans sind
und mir notfalls auch mit Gewalt ihre Meinung aufzwingen wollen.
Gazellengleich sprinte ich durch die Innenstadt und die
hasserfüllte Menge keucht, wild gestikulierend hinterdrein. So muss sich der Rattenfänger von Hameln
gefühlt haben, bloß das er nicht gehasst wurde. Bemitleidenswerte Geschöpfe.
Die Mission ist erfüllt und jetzt gilt es nur noch diesen wütenden Pulk wieder
los zu werden. Ich werfe mein Schild ab und erblicke einen Laden von dem ich
mir Rettung erhoffe. Man könnte annehmen, dass man in einem Unterwäscheladen
nicht auffällt, wenn man nur eine Unterhose trägt. Allerdings fällt man als
halb nackter Mann in einem Geschäft für Damen Dessous, in Übergröße, ungefähr
so auf wie ein Blauwal im Blumenbeet und viel willkommener ist man auch nicht. Die
vom Umziehen schwitzenden Damen in XXL Ausführung keifen in meine Richtung und
kullern übereinander. Ich würde glatt lachen, wenn ich nicht so mit meiner
Todesangst beschäftigt werde. In Forrest-Gump-Manier flüchte ich aus dem
Nebenausgang. Ich schaffe es ohne größere Unwegsamkeiten zur Straßenbahn, die
überraschender Weiße, sogar fährt bevor sich das pöbelnde Pack hinter mir
Zutritt beschaffen kann. Höfflich winkend setze ich mich und schnappe nach
Atem. Mich in dem Wissen, dass ich jetzt gehasst werde, sonnend fange ich
freudig an zu pfeifen. „Ey du Vogel, hast du da in deinem Schlüpferchen auch
irgendwo eine Fahrkarte?“
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