Samstag, 13. Juli 2013

Mein Recht auf ein bisschen Hass

Da mein Mitbewohner zwar viel von Vendetta, jedoch nichts von der deutschen Sprache versteht, da er ein taubstummer Lappländer ist – „Lappe“ mögen die Lappen nicht -, gestaltet sich unsere Kommunikation gelinde gesagt: schwer! Meist schreiben wir uns über den Computer Nachrichten, die wir, bevor wir sie abschicken, von irgendeiner Übersetzungsmaschine verunstalten und unkenntlich machen lassen, um uns auch auf alle Fälle falsch zu verstehen. Einmal hab ich ihm einen Witz über Lappländer geschickt. Daraufhin hat er alle mein VHS mit Schwulenpornos überspielt. Es ist peinlich, wenn man mit der acht jährigen Cousine Asterix als Gladiator sehen will und stattdessen sieht man zwei Männer, die sich gegenseitig die Eier schaukeln. Ich hab überlegt, wie ich das auf der nächsten Familienfeier erklären könnte. Erstaunlicher Weiße hab ich die perfekte Lösung gefunden: ich geh nicht mehr zu solch biederen Veranstaltungen.

Seit dem führen wir unseren liebevoll geführten Kleinkrieg. Ich werfe eine Hand voll  Kakerlaken in sein Müsli, in dem Wissen, dass seine Auffassungsgabe am Morgen noch eingeschränkt ist. Er pupst mir aufs Kopfkissen und ich…. nun ja wo gehobelt wird, da fallen Späne! Auf jeden Fall ist Ikea, wie ich ihn nenne, weil es ihn ärgert, zwar unterhaltsam aber unheimlich langweilig. So gehört es sich schließlich auch für einen 65 jährigen. So kommt es, dass ich, der Psychologie Student, genötigt bin vor die Tür zu gehen und Kontakte zu andern Menschen auf zu nehmen. Groucho Marx hat mal gesagt: „Ich würde keinem Club angehören wollen, der mich als Mitglied aufnimmt.“  Dem schließ ich mich an und deshalb hab ich auch nichts mit Kommilitonen am Hut. Ich geh da sogar noch einen Schritt weiter: Ich will gar keinen Club angehören.

Ich hab da ein entscheidendes Problem: Ich mag fast jeden. Manch einer würde meinen, dass sei kein Problem aber mein Vater sieht das anders - also mein Quasi- Vater. Ich gehöre einer Generation an, die zu 50% vom Fernseher großgezogen wurde und da meine Mutter alleinerziehend war musste eine Vaterfigur her. Die Auswahl war riesig und das Casting lief wann immer ich wollte. Bruce Wayne, Homer Simpson, Bill Cospy und Hercules, sie alle buhlten um meine Zuneigung. Den Zuspruch bekam dann ein sympathischer Durchschnittstyp: Dr. Gregory House. Dieser meinte eines Tages zu mir: „Wenn dich niemand hasst, machst du was falsch!“

Es gibt 3 Wege um den Hass der Menschen auf sich zu ziehen: 1. man beleidigt ihre Gottheiten, was mir als zu radikal erscheint, 3. Man verarscht sie und darauf verstehe ich mich! Jetzt muss ich nur noch wissen, welche Menschen, das Privileg genießen dürfen mich zu hassen. Auch da hilft mir das Fernsehen weiter. Am besten verstehe ich mich mit Menschen, welche die gleichen Serien mögen wie ich. Im Umkehrschluss bedeutet das: alle die was anderes sehen sind Auserwählte. Klingt ein wenig faschistisch sollte aber klappen. Da Menschen auf einen sowieso nur reagieren, wenn sie sich in der eigenen Meinung gestört fühlen bastelte ich mir ein Plakat mit der  großen Aufschrift:
„I hate how i met your mother shameless Mistresses!“ 

Erst im Nachhinein viel mir auf, dass ich die Kommas zwischen den Titeln vergessen hatte. Jetzt habe ich noch eine halbe Stunde meinen bösen Gesichtsausdruck geübt und bin startbereit mein mannshohes Schild hab ich einmal auf vorder und der hinter Seite. Davon abgesehen trage ich nur eine Unterhose um die Provokation auf ein neues Level zu bringen.
In der Stadt angekommen renne ich mit wütendem Blick, auf mein Schild zeigend auf fremde Menschen zu, in der Hoffnung mich dann verbal mit ihnen auseinander setzen zu können. Allerdings verwirrt mich ihre Reaktion: sie rennen weg  – bin ich so hassenswert? Ich werde kurz traurig bis mir wieder einfällt, dass das ja mein Ziel war. Beflügelt vom Hass der Anderen renne ich nun noch schneller und ehe ich es mir versehen kann muss ich noch schneller Rennen, weil wohl zwei Ehemänner große „shameless“ Fans sind und mir notfalls auch mit Gewalt ihre Meinung aufzwingen wollen.

Gazellengleich sprinte ich durch die Innenstadt und die hasserfüllte Menge keucht, wild gestikulierend hinterdrein.  So muss sich der Rattenfänger von Hameln gefühlt haben, bloß das er nicht gehasst wurde. Bemitleidenswerte Geschöpfe. Die Mission ist erfüllt und jetzt gilt es nur noch diesen wütenden Pulk wieder los zu werden. Ich werfe mein Schild ab und erblicke einen Laden von dem ich mir Rettung erhoffe. Man könnte annehmen, dass man in einem Unterwäscheladen nicht auffällt, wenn man nur eine Unterhose trägt. Allerdings fällt man als halb nackter Mann in einem Geschäft für Damen Dessous, in Übergröße, ungefähr so auf wie ein Blauwal im Blumenbeet und viel willkommener ist man auch nicht. Die vom Umziehen schwitzenden Damen in XXL Ausführung keifen in meine Richtung und kullern übereinander. Ich würde glatt lachen, wenn ich nicht so mit meiner Todesangst beschäftigt werde. In Forrest-Gump-Manier flüchte ich aus dem Nebenausgang. Ich schaffe es ohne größere Unwegsamkeiten zur Straßenbahn, die überraschender Weiße, sogar fährt bevor sich das pöbelnde Pack hinter mir Zutritt beschaffen kann. Höfflich winkend setze ich mich und schnappe nach Atem. Mich in dem Wissen, dass ich jetzt gehasst werde, sonnend fange ich freudig an zu pfeifen. „Ey du Vogel, hast du da in deinem Schlüpferchen auch irgendwo eine Fahrkarte?“


Ich mag doch nicht jeden.

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