Freitag, 19. Juli 2013

Mein Mord

Vor mir liegt der tote Körper. Regungslos. Nie wieder wird sie tanzen, lachen oder mit ihre Kindern spielen. Ob sie es verdient hat? Sicher! Zumindest wenn man mich fragt.
Was ist ein Leben wert, wenn es nur dazu dient, das eines anderen zur Hölle zu machen? Wenn man nie tanzt, lacht oder mit seinen Kindern spielt? Ist das überhaupt ein Leben?

Ich hätte mich nie für einen Menschen gehalten, der einen Mord begehen kann. Doch in jedem steckt ein Monster. Manchmal, wenn es an der Oberfläche kratzt, sehen wir es in den gehetzten Augen unserer Mitmenschen. Man erwartet, dass sie die Zähne fletschen aber das sieht man heute seltener. Danke Evolution. Wenn man es recht bedenkt war es nur Todschlag und das auch noch im Affekt. Da wäre ich nach zehn Jahren wieder draußen. Doch der Gedanke lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Ob ich Reue empfinde? Nennt mich einen kaltherzigen Psychopathen aber nein. Ich würde es wieder tun. Verdammt das macht es doch zum Mord.  Aber ich will von vorn beginnen. Eine Geschichte, egal wie schrecklich, braucht einen Anfang. Der Anfang unserer Geschichte war vor gut einer Woche:

Sie kam mit einem Freund, der auch erst im Treppenhaus Bekanntschaft mit ihr gemacht hat. Sofort erblickte ich sie, doch sozial wie ich bin, sagte ich nichts. Das Problem war nicht, dass sie kam, sondern das sie nicht mehr ging. Nicht mit meinem Kumpel und nicht die Tage darauf. Jetzt wird sie das Haus wohl in einer Mülltüte verlassen.

Anfangs verhielt sie sich ruhig und lies mich in Ruhe, weshalb ich sie akzeptiert und mich nicht an ihr störte. Sie saß den kompletten ersten Nachmittag auf der Sofalehne. Sie beobachtete mich wortlos, was ich zwar lästig fand aber womit ich leben konnte. Doch dabei blieb es nicht. Bereits in der ersten Nacht wuselte sie um mich herum und raubte mir den Schlaf. Mit ihrer reden konnte man nicht – sie hätte sowieso nicht zugehört. Ich hätte die Polizei rufen können doch ich war mir ziemlich sicher, dass die nur gelacht hätte. Sie hielt nicht still und belagerte mich in meinem eigenen Bett. Am nächsten Morgen war sie verschwunden. Glückselig verbrachte ich den Tag mit Dingen die man halt so macht, wenn man zwar kaum geschlafen hat aber glücklich ist. In Watte gepackt und halb in Trance vergingen 24 wundervolle Stunden. Doch am Tag darauf berichtete mein Mitbewohner, dass sie die ganze Zeit bei ihm gewesen sei. Ein wahres Flittchen. Wir berieten uns.  Sie war ein wahrer Parasit – sie ernährte sich nur unserm Zeug. Machte zwar nichts dreckig aber erst recht nichts sauber und zumindest das sollte man doch erwarten. Das schlimmste war jedoch, dass sie nachtaktiv war und das mit einer nervenaufreibenden Penetranz. Berufung hin oder her man sollte sich schon den anderen ein wenig anpassen, wenn man zusammen leben will. Nach der Bereitschaft danach suchte man vergeblich.

Mit dem Abend kam erneut die Pein. Da ich scheinbar eher ihr Typ war verbrachte sie die Nacht wieder bei mir und umgarnte mich mit ihrem eigentümlichen Dialekt den niemand verstand, obwohl sie in der Nähe aufgewachsen ist. Sie quält mich. Lässt mir keine Minute in der ich mich nicht hin und her wälze in der Hoffnung meinen Frieden zu finden. Sie will meine Aufmerksamkeit um jeden Preis. Ich beginne sie zu hassen. Ein heiß glühender Hass, aus tiefster Seele. In dieser Nacht schlage ich zum ersten Mal nach ihr. Beleidigt verzieht sie sich. Fürs erste.
Am Morgen riefen mein Mitbewohner und ich die Polizei. „Meine Herren, ich denke, damit werden sie allein fertig“. Danke Freund und Helfer. Ihr hab mich dazu getrieben! Inständig baten wir sie zu gehen oder uns wenigstens in Ruhe zu lassen. Sie ließ sich nicht einmal zu einer Antwort herunter. Saß da und sah uns aus ihren unproportional großen Augen an. Wir wollten das Ganze friedlich Regeln. Niemand wollte ein Blutvergießen sehen, scheinbar bis auf sie.
Die Nächte darauf waren der Horror. Weder Schlaf noch Ruhe gönnte sie mir. Ich hörte sie auch wenn sie nicht in der Nähe war. Überall war ihrer Stimme. Sie war in meinem Kopf. Belagerte mich. Quälte mich. Und mit der Qual wuchs der Hass ins Unermessliche. Hass wie ihn noch nie ein Mensch verspürt hat. So kam es, dass letzte Nacht mein völlig erschöpftes Hirn aussetzte. In einem Tobsuchtsanfall sprang ich auf, jagte sie durch Zimmer und schlug zu. Wieder und wieder lass ich meine Hand auf sie hinab fliegen. Ich höre noch immer ihre höhnische Stimme, verzehrt zu einem Lachen. Ein letztes Mal schlage ich zu. Sie bewegt sich nicht mehr. Es ist vollbracht. Das Adrenalin lässt nach und der rote Schleier, der Wut der meine Welt bis eben vernebelte, lässt nach. Was zurück bleibt ist Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass ich ein Mörder bin. Schuldgefühle sollten mich zermartern. Selbsthass mich zerstören. Dennoch stehe ich hier im kalten Licht der Neonröhre, blicke auf den Kadaver hinab und fühle nichts. Ich mache ein Foto von der Leiche als Erinnerung und Trophäe.
Ich wecke meinen Mitbewohner und wir beschließen sie zu zerteilen und auf Müllsäcke zu verteilen und morgen zu entsorgen. Im Wald zu verscharren, wie ein räudiges Tier.
Und plötzlich fühle ich doch etwas: Erleichterung. Tiefe Erleichterung steigert sich zu purem Glück.
Ich lege mich in mein Bett und frage mich, was für ein Mensch so kaltblütig sein kann? Ich! Und ich würde es wieder tun.


Meine lieben Leser,
sie haben mein Geständnis, wollen sie nun auch noch den Beweis?


Falls sie die Nerven dafür haben habe ich hier das Bild, welches ich nach meiner Wahnsinnstat schoss:






Donnerstag, 18. Juli 2013

Mein Zimmer und der Zug

Als ein Zug durch mein Zimmer rauscht öffne ich die Augen. Er hat hier wohl versehentlich gehalten, zumindest könnte man das denken, wenn man die Lautstärke der Kakofonie hört, die mir meinen Schlaf raubt. Es schnauft, brummt und grunzt. Ein komischer Zug muss das sein. Erst als ich auf die Beine komme spüre ich, wie nötig ich mein Koma noch habe, schließlich bin ich in etwa so voll wie mein Kühlschrank leer ist – beängstigend voll … oder leer. So richtig kann ich meinen Gedankensprüngen selbst noch nicht folgen. Mühsam steuer ich auf die Geräuschkulisse zu und bin dabei echt dankbar dafür, dass es schon dämmert. Licht wäre jetzt der Overkill. Mein Zug ist etwa 1,65 groß, wiegt 60 Kilogramm und muss irgendwo einen riesigen Resonanzraum versteckt haben.

Jonathan liegt da vor mir in seiner eigenen Sabberlache und ich wunder mich darüber, dass er sich nicht die eigenen Organe aus dem Körper schnarcht. Ich schüttele ihn. Als Dank schnarcht er lauter und sabbert mehr. Größere Geschütze müssen her. Ich strauchle, gleich einem Elefanten, der zu viele vergorene Früchte gegessen hat ins Bad und komm mit einer Langstrecken Raketen und einem Raketenwerfer plus Bedienungsanleitung wieder. Meine Rakete ist ein Rasierer, mit dem ich ihm, mit der Präzession eines Hannibal Lecters, die Augenbrauen entferne. Steht ihm. Die andere Waffe habe ich selbst noch nie benutzt aber eine Freundin meinte mal Ohropax würden bei Schnarchern helfen. Ratlos starre ich die zwei Gummistöpsel an. In meiner männlichen Ehre gestört greife ich zur Bedienungsanleitung, auf der aber nur steht: „Quetschen und anschließend einführen“. Also quetsche ich sie möglichst klein und führe sie langsam und gefühlvoll ein. In jedes Nasenloch von Jonathan eins. Selige Ruhe.

Nächste Episode: "Mein Mord"

Mittwoch, 17. Juli 2013

Mein Freund Jonathan

Meine Schulter quält mich und ich bin ziemlich sicher, dass sie das mit Absicht macht. Deshalb hab ich mir Verstärkung in Form meines Freundes Jonathan geholt. Jonathan will aber nicht Jonathan genannt werden sondern Jonathan, klingt affig, ist aber so. Er hat Physiotherapie in Holland, pardon Niederlanden, studiert – behauptet er zumindest immer. Ich persönlich glaube ihm kein Wort und denke, er hat den ganzen Tag nur gekifft und seine Urkunde durch Erpressung bekommen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Typ studiert.

Als er ankommt öffnen wir das erste Bier und begutachten meine, wahrscheinlich, zertrümmerte Schulter. Auf dem Couchtisch liegt schon das Tomatenmesser zur Amputation oder Notschlachtung bereit. Es ist zwar ziemlich klein aber dafür verdammt stumpf.  Nachdem er sich das Unglück zehn Minuten angesehen und zwei Mal, auf äußerst schmerzhafte Weiße, rein gepikst hat, gibt er seine fachmännische und qualitativ äußerst wertvolle Diagnose ab: „Das sieht aber nicht gut aus!“
„Danke Professor, da hat sich das Studium aber richtig gelohnt“, entgegne ich gehässig, da ich mir doch etwas mehr erhofft hatte. Er übergeht die Gehässigkeit, zumindest verbal. Dafür pikst er nochmal.

Entgeistert sehe ich ihn an: „So gehst du immer mit deinen Patienten um oder?“
„Nur mit denen, die mich nicht bezahlen aber ist wohl ein Hämatom.“
Mir rutscht das Herz in die Hose, innerlich schreibe ich mein Testament, verabschiede mich von meinen Liebsten und will grade meinen Frieden mit Zuckerberg machen, als ich mich meiner Lehrstunden durch Dr. House und Scrubs entsinne.
„Das ist nur ein blauer Fleck?“
Piks. „Jap und jetzt hör auf zu jammern, wie ein Mädchen“
„Die oberste deutsche Tugend ist das Meckern und ich bin ein Mann und wenn Männer ein „Aui“ haben dürfen sie wehleidig sein. Das wird von uns erwartet! Ich nehme bloß meinen Platz in der Gesellschaft ein.“

Ich ningel also noch ein bisschen, bis es sogar mich nervt und wir beschließen, ein Brettspiel zu spielen – ja es war mal wieder die Sicherungsproblematik aber diesmal war es die Faulheit die uns im Weg stand.
Ich baue das Spiel auf. Er würfelt und fängt an einen Spielstein 4 Felder vorzurücken.
Mit ruhiger Stimme sage ich:
 „Alter:     1. Hast du eine drei gewürfelt, keine vier.
                2. Ist das mein Spielstein.
                3. Bin ich dran.
                4. Und das ist am aller wichtigsten: BEIM SCHACH WIRD NICHT GEWÜRFELT!!!
Die letzten Worte schreie ich fassungslos. Das schlimme an ihm ist, dass man nie weiß, ob er sowas Ernst meint oder ob er einen an der Nase herum führt. Da wir mittlerweile bei Bier Nummer 8 angekommen sind, ist es auch schwer sein, immer wieder entgleisendes Gesicht, zu deuten.
Er rümpft kurz die Nase und fegt dann mit den Worte: „Wenn du eigene Regeln erfindest macht es keinen Spaß“, völlig emotionslos,  alle Figuren vom Tisch. Verdattert guck ich ihn an. Piks. „Hör auf damit!“ Für so einen kleinen, schmächtigen Kerl hat er echt verdammt lange Affenarme.

Im Gegensatz zu dem, was Frauen behaupten,  haben Männer tatsächlich Gefühle, zum Beispiel Hunger. Deshalb machen wir uns etwas Buchstabensuppe warm und studieren beim Essen Ikea, wie er mit einem Brecheisen probiert die verklebten Teller voneinander zu lösen. Ein gar köstliches Unterfangen. Die Studie, nicht die Buchstabensuppe, die entsprach dem, was man bei einer aufgewärmten Buchstabensuppe erwartet, obwohl man an aufgewärmte Buchstabensuppe wohl am besten keine Erwartung hat, man wird ja sowieso nur enttäuscht. Als wir die Küche verlassen will er Ikea aufmunternd auf die Schulter klopfen, verfehlt aber auf Grund von inzwischen 12 Bier den Torso und räumt deshalb das komplette Gewürzregal ab und plötzlich steht Ikea in einer Gewürzwolke. Ich schiebe Jonathan durch die Tür, schließ sicherheitshalber die Küche ab und den gewürzten Ikea ein. So gepfeffert ist er einfach ungenießbar und ich habe jetzt größere Probleme als den wütenden Greisen, zum Beispiel meine Gummibeine, die alles machen wollen, außer das, was ich will. Eine Freundin hat an der Stelle mal gemeint: „Ich kann noch auf den Strich gehen“.  Der Alkohol lässt mich den rachsüchtigen Norweger auch direkt wieder vergessen.

 „ So, ich werde mir mal mein Fahrrad schnappen und nach Hause radeln.“ , lallt mein kleiner Kumpel und da wir den gleichen Pegel haben und damit quasi den gleichen Dialekt sprechen verstehe ich ihn sogar. „Du bist mit dem Auto da“, stelle ich fest. Überrascht von meinem eigenen Scharsinn lehne ich mich ganz cool an die Küchentür. „Na wenn das so ist, werde ich wohl auf deinem Sofa schlafen, wenn es genehm ist.“
„Ist genehm. Ich sollte auch ins Bett, ich hab schon das Gefühl, dass die Küchentür ganz zapplig ist.“ Angezogen wirft er sich auf das Sofa und ich auf mein Bett. Ich murmel noch:“Nacht“. Er grunzt noch „Ich muss kotzen“ und selig schlafen wir beide ein. Irgendwie mag das Ding vom Sofa.

Nächste Episode: "Mein Zimmer und der Zug"